Ich rufe Euch noch einmal

Original: «GOD AT EVENTIDE»
Übersetzt von Dr. Richard E. Koch



ZUR EINFÜHRUNG

   Zwei schlichte englische Frauen haben vom Dezember 1932 an während längerer Zeit in ihrer täglichen «stillen Stunde» Botschaften empfangen und niedergeschrieben, die nach Inhalt und Sprache unmöglich ihre eigenen Erzeugnisse sein konnten. In deutlicher Erkenntnis dieser Tatsache beschlossen sie als «Two Listeners» anonym zu bleiben, als A. J. Russel eine den Tagen des Jahres entsprechende, erste Sammlung dieser Losungen 1935 unter dem Titel «GOD CALLING» in England herausgab.
 
   Dieses überkonfessionelle Andachtsbüchlein fand in der englischsprechenden Welt grossen, selbst heute noch stets zunehmenden Widerhall und wurde von den berufenen Vertretern der führenden christlichen Glaubensrichtungen übereinstimmend aufs Wärmste empfohlen. Trotz dem inzwischen erfolgten Ausbruch des Krieges wurde es in allen Erdteilen verbreitet und erschien in zahlreichen englischen Auflagen; seit einigen Jahren wird es ausserdem auch in New York (USA) herausgegeben.
 
   Auf vielfaches Verlangen zahlreicher, jahrelanger Benützer dieses Buches veröffentlichte A. J. Russell (heute: Arthur James Ltd., Evesham, England) 1950 eine zweite Sammlung Losungen unter dem Titel «GOD AT EVENTIDE». Diese Mitteilungen waren in den dreissiger Jahren unmittelbar anschliessend an die im ersten Büchlein zusammengefassten Botschaften durch dieselben beiden Frauen empfangen und schriftlich festgehalten worden.
 
   Die deutsche Übersetzung von «GOD CALLING» wurde 1955 durch Max Burri, Neuer Johannes-Verlag, Gossau (SG), unter dem Titel «ICH RUFE EUCH» (= IRE) publiziert, der 1959 auch die zweite, erweiterte Auflage versorgt hat.
 
   Im vorliegenden Bändchen folgt nun die Übertragung von «GOD AT EVENTIDE» als «ICH RUFE EUCH NOCH EINMAL» ( = IRENE). Für seine Benützung gelten dieselben Bemerkungen, welche dem Text der 2. Auflage von IRE vorausgeschickt wurden.
 
   Die beiden Andachtsbücher ergänzen sich, ersetzen einander aber nicht. Sie sind vorzugsweise in der Reihenfolge ihres Erscheinens zu gebrauchen, da IRENE höhere Anforderungen an den Benützer stellt, und zahlreiche Losungen darin noch schärfer gefasst und noch eindringlicher gehalten sind als im ersterschienenen Bändchen. Es sei hier unterstrichen, dass weder das eine noch das andere der beiden Bücher einen systematischen Lehrgang darstellt. Jede Losung will für sich in unser tägliches Leben aufgenommen und eingebaut werden, unabhängig von der vorhergehenden und der nachfolgenden. Nur ausnahmsweise wird eine Botschaft an zwei oder mehr anschliessenden Tagen gegeben und besprochen.
 
   Beide Bändchen haben in unserer von Hast, Unsicherheit und Angst erfüllten Zeit jedem verantwortungsbewussten Menschen, der sich ab und zu eine besinnliche Stunde des Nachdenkens über Zweck und Ziel seines Da-Seins gönnt, viel zu sagen. Wer sich aus den Fesseln traditioneller Auffassungen und Gewohnheiten wirklich befreien will und sich die Mühe nimmt, die Losungen sinngemäss zu benutzen, der wird durch das ruhige Sich-Vertiefen in die Botschaften zweifellos grosse Bereicherung erfahren und mit überlegener Ruhe, neuer Kraft und vertrauensvoller Zuversicht gesegnet werden. Dies ist keine neue, erst in den letzten Jahren entdeckte Lehre, sondern eine den Menschen schon seit Jesaja's Zeiten zur Verfügung stehende Weisheit:
 
«Denn so spricht der Herr, der Heilige in Israel: Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein. Aber ihr wollt nicht.» (Jes 30,15)
 
   Der in Aussicht gestellte Preis lohnt den Einsatz, das Aufbringen der anfänglich zur Selbstüberwindung benötigten Energie, denn sehr bald wird der grosse Gewinn spürbar und in der täglichen Ruhezeit das Versprechen bewahrheitet:
 
   «Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.» (Mt 11,28)
 
   Die Botschaften stehen durchaus auf dem Boden der Bibel, aus der zahlreiche Zitate angeführt und uns durch manchmal überraschende Erläuterungen nähergebracht werden. Ausserdem erleichtern viele Ratschläge es uns, die Lehre Jesu Christi besser zu verstehen. Warnungen sind so aktuell und schlagen so deutlich auf unsere heutigen Zustände, als ob sie 1960 und nicht schon Mitte der dreissiger Jahre erteilt worden wären. Erschütternd ist die bewegte Klage über die Menschen, welche nicht glauben wollen, dass Christus auch heute noch spricht, und die uns statt Seines Wortes ihre eigenen, wortreichen Betrachtungen über Ihn hören lassen. Ergreifend klingt auch die Frage, ob wir denn nicht verstehen, dass so viele Menschen Ihm den Rücken kehren und sich weltlichen Freuden zuwenden, weil wir mit Leichenbittermienen einen sterbenden oder begrabenen Heiland verehren, statt den unter dem Jubel und der Freude von Himmel und Erde siegreich auferstandenen, lebendigen Herrn zum strahlenden Mittelpunkt unserer Anbetung zu machen. Christus ist nicht tot, sondern ruft uns zu:
 
   «Ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit.»
 
   Darum auch die vielen Aufforderungen in IRE und IRENE zum Freuen, Lachen und Lieben. Auch sie bedeuten nichts Neues, denn Freude ist der Echtheitsstempel für den wahren Nachfolger Christi; Lachen das äusserliche Zeichen dieser Freude; und Gott unsern Herrn lieben das vornehmste und grösste aller uns gegebenen Gebote; darauf folgt, dass wir auch unsern Nächsten lieben sollen wie uns selbst. – – Die fundamentale Bedeutung unseres Gehorchens wird unterstrichen, und darauf hingewiesen, dass es nicht auf das blosse Annehmen, sondern auf das tatsächliche Tun des Willens unseres Vaters ankommt. Hierbei wird die Frage gestellt, was wohl aus unserer Erlösung geworden wäre, wenn Jesus nicht stets im vollkommensten Gehorsam nur nach dem Willen des Vaters gefragt und ihn auch bis zum Äussersten und Letzten getan hätte? – Nur der g1aubt, der Gottes Willen TUT.
 
   Noch gar viele andere, für uns und unsere Lebensführung entscheidende Punkte werden besprochen: Die Einfachheit, in der die Grösse liegt; das Teilen aller Sorgen und Freuden mit Ihm; wie wir unsere Liebe wachsen lassen können; wozu Christus als Mensch-gewordener Gott auf die Erde gekommen ist; – – doch mögen diese Andeutungen aus dem übergrossen Reichtum der Botschaften zur Einführung genügen.
 
   Auch anlässlich des Erscheinens von IRENE bittet der Übersetzer den Benützer beim Antreffen von sprachlichen Härten um Nachsicht und auch darum, einzelne Sätze nötigenfalls mehrmals sich selbst ruhig und langsam vorzulesen. Es war ihm wichtiger, den Inhalt der Losungen möglichst wortgetreu wiederzugeben, als möglichst schönes Schuldeutsch zu schreiben. Die Form hat in diesem Falle unbedingt hinter dem Inhalt zurückzutreten.
 
   Hinzu kommt noch, dass unsere Sprache bedauerlich arm an Ausdrücken ist, was an dem in diesen beiden Büchern so häufig vorkommenden Wort «Liebe» gezeigt werden soll, das für gänzlich verschiedene Begriffe gebraucht wird: Für die Geschlechtsbegierde, den Eros; für die gemütsbedingte, wetterwendische Philia; und schliesslich für die uneigennützige, unveränderlich gleichbleibende Agape Gottes für Seine Kinder.
 
   Möge das vorliegende Buch so, wie IRE es schon weit über die Grenzen des engeren, deutschen Sprachgebietes hinaus getan hat, jedem ernsthaften Benützer das bringen, was er unter seinen persönlichen Umständen gerade am meisten nötig hat: Gesundheit, Stärke und Vertrauen in Krankheit, Angst und Sorge, Tost im Schmerz, Hoffnung in der Verzweiflung, Mut zum Überwinden von Gefahr und Versuchung, Kraft zum unverrückbaren Festhalten an der Wahrheit trotz aller Bedrohung durch den Bösen.
 
   Möge der Inhalt des Bändchens den Benützer schon beizeiten zur vollständigen Übergabe von Wille, Wort und Tat im freudigen Gehorsam gegen Gottes Gebote führen, damit er sein Ohr für Seine leise Stimme öffne und sie in der Stunde der Bedrängnis und hohen Not auch vernehmen könne; – damit er aus der gesammelten Erfahrung den – wohl gerade in unsern Tagen allenthalben so sehr benötigten – felsenfesten Glauben an unsern Heiligen Vater und an Seine Alles besiegende Macht und Liebe gewinne.

   Lugano, den 5. September 1960

In Demut und Dankbarkeit  

Der Übersetzer